Gegensätze prägen die Kunstszene Schömbergs

| Friedrich Eschwey

Wer die Gegensätze in der Kunst liebt, der wird in der Kunstszene in Schömberg fündig. Er findet Werke von zwei Künstlern, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Es sind Werke des akademisch gebildeten Hermann Finsterlin (1887-1973) und Werke des bodenständigen Schömberger Künstlerphilosophen Karl Kugele (1923-1997). Beiden sind Dauerausstellungen im Haus Bühler – Kunst und Geschichte in Schömberg gewidmet, von Hermann Finsterlin sind außerdem Fresken im Foyer des Kurhauses zu sehen.

Der als Spross einer großbürgerlichen Familie in München geborene Hermann Finsterlin, macht von 1905 – 1908 eine Ausbildung zum Kunstmaler. Ein 1914 begonnenes Studium der Naturwissenschaften bricht er ab. 1916 heiratet er die Zahnärztin Helene Kratz. Das folgende Jahrzehnt ist sein produktivsten und schöpferischstes. Finsterlin ist ein vielseitiger Künstler. Auf dem Gebiet der Malerei entstehen Erotische Zeichnungen, Aquarelle und Architekturen, vor allem mit Letzteren wird er bekannt. Die Schöpfer des berühmten Dachs des Münchner Olympiastadions sollen von seinen Architekturen inspiriert worden sein. Seine Spielsachen und Spiele wurden lange als Kuriosa am Rande eingestuft, gehören aber heute zu seinen bekanntesten Werken. Als Schriftsteller von kunsttheoretischen und Kulturphilosophischen Essays ist er weithin unbekannt geblieben. Obwohl von den Nationalsozialisten nicht als <entartet> eingestuft, zieht sich Finsterlin aus dem öffentlichen Wirken zurück, er will sich nicht arrangieren. Erst in den 1950er Jahren gibt es wieder Ausstellungen seiner Werke und er erhält gelegentlich Aufträge, von denen wohl die Ausmalung des Foyers im Schömberger Kurhaus der bedeutendste war. So entstanden in der Blütezeit Schömbergs als Kurort vier große Fresken, von denen eines den Kampf gegen die Tuberkulose und das andere den Sieg über diese tückische Krankheit in der typischen Formensprache des Künstlers symbolisiert. Im Haus Bühler sind Aquarelle, erotische Zeichnungen, Architekturen, Spielsachen und Baukästen ausgestellt.

Karl Kugele hat immer in Schömberg gelebt, hat 1951 geheiratet, die Eheleute hatten drei Söhne und eine Tochter. Von 1957 bis 1983 war er Fronmeister beim Bauhof der Gemeinde Schömberg. Dem Bauernsohn mit der landwirtschaftlichen Ausbildung, wurde wohl nicht an der Wiege gesungen, dass ihm seine Heimatgemeinde Schömberg einmal in ihrer Galerie eine Dauerausstellung seiner Kunstwerke widmen würde und so die Erinnerung an ihn wach hält. Zur künstlerischen Tätigkeit brachte ihn die Begegnung mit einem in Schömberg weilenden Kurgast. Dessen Werke und viele Gespräche über Kunst und die Künstlerin Natur, weckten das im Handwerker Kugele steckende Interesse und künstlerische Talent.

1967 begann er Wurzeln zu sammeln. Sie wurden gesäubert, ganz behutsam bearbeitet und konserviert. Nun kam es darauf an, dem was die Natur geschaffen hatte einen Namen zu geben, zu benennen was er darin sah. Jetzt offenbarte sich das, was Karl Kugele auszeichnete. Sein ganzes Wesen, seine philosophische Ader, seine Liebe zu Natur, seine Religiosität, sein Humor, alles spiegelt sich in diesem Akt. Verblüffend ist die Ähnlichkeit vieler dieser Naturprodukte mit den Werken der von ihm so geschätzter Künstler wie Henry Moore oder Pablo Picasso. Doch war es mehr ein Reproduzieren als eine gestaltende Tätigkeit.

Das gestaltende Talent von Karl Kugele kam zu Tage, als er anfing aus Schrott Plastiken herzustellen. Mit hintergründigem Humor, scharfer Beobachtungsgabe und ironischer Kritik, formte er aus den Dingen, die für ihre Besitzer wertlos geworden waren, Gebilde, die das gesamte Leben spiegeln. Seine Werke bewegen sich oft an der Grenze der Gegenständlichkeit, wirken abstrakt und sind doch ganz real und erkennbar, wenn der Betrachter bereit ist, sich der Gedankenwelt des Karl Kugele zu öffnen. Diese Gedankenwelt offenbart sich unter anderem in folgendem Zitat zu seinen Plastiken, die er „Aphorismen in Schrott“ nannte: „Das Zufällige, Unregelmäßige, Verkommene und verrostete fasziniert mich mehr als das Funktionstüchtige“.


Mit scharfer Beobachtungsgabe und hintergründigem Humor geißelt Karl Kugle mit der Plastik „Gruftis- Vom Dasein geprägt“ den Jugendwahn unserer Zeit.


Das große Wandfresko „HERAKLEA“ von Hermann Finsterlin im Schömberger Kurhaus symbolisiert den Kampf gegen die Tuberkulose.